Source: FernUni Perspektive, Gerd Dapprich, Jg. 3, Nr. 7/2004 (Frühjahr), S. 11
Noch mobiler studieren
Das Handy: Viel mehr als einfach nur ein Kommunikationsmittel. Am betriebswirtschaftlichen Lehrgebiet Organisation und Planung von Prof. Dr. Ewald Scherm wird zurzeit im Rahmen des Projekts Mobile Education („Mobiles Studieren“) eine Software entwickelt, die es Anbietern von computergestützten Aus- und Weiterbildungen ermöglicht, das Handy für das Lernen selbst nutzbar zu machen, indem multimediale Lehrund Lernumgebungen um Benutzerschnittelstellen mobiler Endgeräte ergänzt werden.
Nun stellt sich zunächst die einfache Frage: warum? „Der Bedarf ist einfach da, und bei unseren Studierenden meistens auch die technische Ausrüstung!“ erläutert Projektkoordinator Maciej Kuszpa: „Wir haben verschiedentlich von Studierenden gehört, dass sie ihre Zeit noch besser für ihr Studium nutzen wollen, etwa in öffentlichen Verkehrsmitteln oder im Hotel auf Dienstreisen.“ Im Gegensatz zu Laptop und Studienunterlagen haben sie ihr Handy oder ihren Pocket-PC immer dabei. „Und daher haben wir uns überlegt, wie wir sie unter Einbeziehung dieser kleinen Helfer unterstützen können.“ Studiert werden kann dann wirklich überall. Es versteht sich von selbst, dass die Software alle heutigen und zukünftigen Technologien des mobilen Internets – WEB, WAP, i-mode, Java, UMTS – berücksichtigt.
Schnell wurde klar, dass sich keine umfangreichen Unterlagen übertragen lassen – dafür sind die Displays viel zu klein: „Einen kompletten Kurs hierauf durchzuarbeiten ist indiskutabel!“ Zur Prüfungsvorbereitung sind sie jedoch einsetzbar: bei Multiple-Choice-Aufgaben, für Wahr-/Unwahr-Aussagen und für das Ausfüllen von Textlücken. Maciej Kuszpa meint sogar, dass die Kommunikationsgeräte bei diesen Aufgabentypen sogar manche Vorteile gegenüber gedruckten Unterlagen haben: „Ohne Zeitdruck im Bus fünf Aufgaben zu lösen und in der Bahn noch einmal zehn – mit dem Handy geht das, mit Papierunterlagen oder dem Laptop kann das schon sehr schwierig sein.“ Und: „Wir können in Zukunft die Aufgaben wie in einer Lotterie nach dem Zufallsprinzip stellen, etwa 10 aus 100. Und dann wieder 10 und wieder …“ Solange, bis der Studierende sicher ist. Dagegen ist die Zahl der gedruckten Aufgaben recht begrenzt.
Kuszpa stellt sich vor, dass die Studierenden zu Hause das Kurskapitel bearbeiten und etwas später unterwegs unterschiedliche Aufgabenarten lösen. Sie sehen gleichzeitig, ob sie das neue Wissen auch wirklich verstanden und verinnerlicht haben: „Das geht schon in Richtung einer realen Prüfungssituation – da weiß man ja auch nicht, welche Fragen gestellt werden.“ Auch pädagogisch machen diese Aufgabentypen also durchaus Sinn, vor allem mehr als das Abarbeiten bekannter Aufgaben (normalerweise enthalten die Kurseinheiten nur fünf bis sechs Aufgaben). Allerdings sind Aufgabenstellungen, die ausführlich beantwortet werden müssen, nicht sinnvoll. Kurze, bunt gemischte Antworten dagegen passen gut zu der Technik.
Beim „Mobilen Studieren“ sieht Maciej Kuszpa viele Parallelen, mögliche Verzahnungen und Ergänzungen zum Lernraum Virtuelle Universität, z. B. bei der Technik selbst. Sogar Chat-Möglichkeiten und Foren gibt es.
Die praktische Erprobung begann mit einem Testlauf in einem Kurs im Wintersemester 2003/2004. Die Teilnehmenden werden intensiv bzgl. ihrer Erfahrungen befragt. Wenn dieses positiv ist, können mehr Kurse einbezogen werden: „Die Inhalte sind ja vorhanden oder leicht abzuleiten.“
Der Kurs wird auf eine CD gebrannt, die Oberflächen werden einen hohen Wiedererkennungswert für LVU-Nutzer haben: „Die optische Anlehnung an die LVU-Lernumgebung hat allerdings einen hohen Programmieraufwand für uns zur Folge.“ Die Vielzahl von Endgeräten macht den Entwicklern ihre Arbeit auch nicht leichter, ersteinmal werden die am weitesten verbreiteten Geräte genutzt werden können, weitere sollen später folgen.