Virtueller Suizid in sozialen Netzwerken als Befreiung und Geschäftschance zugleich

Heute gibt es eine Vielzahl an Web 2.0-Diensten und vor allem an so genannten Social Networks, so dass man als Nutzer die Qual der Wahl hat, wo man alles dabei sein soll. Da ich beruflich mit diesem Umfeld zu tun habe, bin ich natürlich in vielen sozialen Netzwerken registriert; angefangen bei meinVZ.net und nasza-klasa.pl, über facebook.com und myspace.com, außerdem bei mobile-monday.de und mixxt.de, bis hin zu xing.com und linkedin.com sowie selbstverständlich bei vielen mobile sozialen Netzwerken wie peperonity.com, itsmy.com, mocospace.com und mygamma.com. Wenn man sich die Funktionalität so mancher Web 2.0-Anwendungen anschaut, dann könnte man auch eBay.de, amazon.de, youtube.com und flickr.com als soziale Netzwerke dazuzählen.

Viele werden mich vermissen – ob facebook recht hat?

Als Nutzer wird man irgendwann ganz schön gestresst, wenn man alle diese Web 2.0-Dienste nutzen will und manchmal sogar muss. Nicht nur die fortlaufende Pflege der eigenen Daten und Inhalte erfordert viel Zeit, um den Eindruck zu vermitteln, dass man noch virtuell lebt, sondern auch das Verfolgen aller Neuigkeiten aus dem Bekanntenkreis bedraf ständiger Wachsamkeit, so dass man bloß nichts verpasst. Mittlerweile bekommt man aber auch wirklich jede virtuelle Aktivität der Bekannten mit; A ist jetzt Single, B hat neue Fotos hochgeladen, C hat den Status von A kommentiert, D hat B mit einer Videobotschaft geantwortet, E hat C zu einem Online-Spiel eingeladen, F ist gelangweilt von D, G sucht ein Zuhause für sein Schaf, H ist schlauer als I, dafür ist aber I beliebter als H, und so weiter.

Kein endgültiger Abschied, sondern eher ein Umzug vom Netzwerk zum Netzwerk

In letzter Zeit sehe ich aber einige Leute aus dem Bekanntenkreis, die sich anscheinend bewusst von manchen sozialen Netzwerken verabschieden. Zu lesen sind dann Neuigkeiten wie „Matylda just deleted her myspace and studivz account, what an eventful saturday evening“ und „Susann just canceled her myspace account! Finally! hehe“ oder der Profilname wird umbenannte in „der Matthäus ist bei Facebook aktiv“. Dieses Verhalten verwundert mich jedoch nicht, da ich bei mir im Laufe der Zeit auch eine gewisse Schwerpunktsetzung in der Nutzung bestimmter Web 2.0-Dienst sehe. Abgesehen davon verändert sich bei jedem von uns schließlich auch der Bekanntenkreis mit der Zeit, man wechselt den Job, zieht in eine andere Stadt oder sucht sich ein neues Hobby – alles mit sozialen Netzwerken im realen Leben verbunden, sich mit der Zeit, nicht zuletzt in Folge dessen, ebenfalls verändern. Unabhängig davon ob real oder virtuell, ist jede Veränderung mit Unsicherheiten, aber auch mit Chancen verbunden; wenn ich nun mich von meinVZ.net abmelde, könnte ich einige (virtuelle) Bekanntschaften verlieren, dafür aber mehr Zeit finden, um andere (virtuelle) Bekanntschaften z.B. bei facebook.com zu intensivieren. Mein Respekt an Matylda und Matthäus, die den Mut für solch einen Schritt fanden – zum Glück sind wir aber noch über facebook.com befreundet :o)

Aus der Sicht der sozialen Netzwerke stellt sich natürlich die Frage, wie man mit solchem Nutzerverhalten umgehen soll, da diese von den zahlreichen Daten und Inhalten der Nutzer immer profitieren. Auch wenn die Nutzer nicht mehr aktiv sind, kann es aber eine Bereicherung für andere Nutzer sein, wenn beispielweise interessante (und zeitlose) Inhalte eingepflegt wurden und diese mit der Deaktivierung der Accounts nicht gelöscht werden. Natürlich klingt es für ein wirtschaftlich agierendes Unternehmen ein wenig beunruhigend, wenn man davon sprechen sollte, dass man Millionen von Karteileichen hat, aber eigentlich müsste dies meines Erachtens sich auf Dauer positiv auswirken – nicht nur die Qualität, sondern auch die Quantität an Daten ist in Web-Geschäft Gold wert. Der Tot an sich ist zwar keine schöne Sache, über die man zumindest in unserem kulturellen Umfeld nicht gerne spricht, aber auch in diesem Bereich hat sich eine „sichere“ und „lohnende“ Branche entwickelt. Ähnliche Tendenzen sind auch schon seit Jahren mit den virtuellen Friedhöfen im Web zu beobachten, also würde es mich nicht wundern, wenn wir bald auch in den etablierten sozialen Netzwerken virtuelle Friedhöfe sehen werden.